ISaR Projekt

Inclusive Services and Rehabilitation

Virtuelles Kompetenzzentrum zur Unterstützung von Schülerinnen und Schülern mit einer Sehbeeinträchtigung

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Technische Universität Dortmund
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Didaktische und methodische Hinweise bei Sehbeeinträchtigung

zusammengestellt von A. Iggesen und F. Laemers

Grundsätzlich lässt sich zusammenfassen: Ein handlungsorientierter, individualisierender Unterricht, der die Verschiedenheit aller Schüler*innen berücksichtigt und unterschiedliche Zugangsweisen und Lernwege ermöglicht, ist ein Unterricht, der den Lernbedürfnissen eines Kindes oder Jugendlichen mit Sehbeeinträchtigung sehr entgegenkommt. Das Lernen mit allen Sinnen und die Möglichkeit, wo immer machbar Realbegegnungen zu schaffen, kommt auch den sehenden Schüler*innen zugute. Bei der konkreten Vorbereitung von Themen und Unterrichtsreihen sind die Sonderpädagog*innen und -pädagogen beratend und unterstützend tätig. Eine Sehschädigung wirkt sich unter funktionalen Aspekten in unserer auf Visualität ausgerichteten Kultur im Alltag in den folgenden vier Lebensbereichen aus (vgl. Hyvärinen 2001):

  • Kommunikation (in der Gruppe sowie von Person zu Person)
  • Orientierung und Bewegung
  • Aktivitäten des täglichen Lebens
  • Länger andauernde Aufgaben, die ein Sehen in der Nähe erfordern (Lesen, Schreiben, Spielen etc.)

Bei der Erstellung der didaktischen und methodischen Hinweise haben wir uns an diesen vier Bereichen orientiert und besonders die im schulischen Bereich relevanten Faktoren berücksichtigt. Es ist zu beachten, dass bei jedem Schüler, bei jeder Schülerin im Einzelfall zu prüfen ist, welcher der Hinweise zutreffend ist. Wichtig ist, dass die Hilfen von den Lehrer*innen selbstverständlich und unaufdringlich gegeben werden sollten. Dies erleichtert vor allem die soziale Integration, wenn der Schüler/ die Schülerin nicht ständig mit seiner Sehschädigung und dem damit verbundenen Aufwand vor der Klasse hervorgehoben wird. Es besteht die Gefahr, dass die vielfältige Persönlichkeit eines Schülers/ einer Schülerin lediglich auf die Sehschädigung reduziert wird, dies ist für das gemeinsame Leben und Lernen nicht unbedingt förderlich.


Im Didaktikpool finden Sie einige Beispiele aus der integrativen Praxis - besonders hinweisen möchten wir auf das online verfügbare Buch von Emmy Csocsán und Elke Zollitsch "Miteinander lernen macht Spaß" - Hier finden Sie eine Fülle von Anregungen und Ideen, die Elke Zollitsch im Rahmen ihrer Tätigkeit als Lehrerin einer Grundschulklasse, in der zwei blinde Mädchen beschult wurden, dokumentiert hat.

Angehängte Datei(en)

1. Didaktische Hinweise bei Sehbehinderung

1.1 Sitzplatz

  • Auf gute Beleuchtung achten: Blendempfindliche Kinder und Jugendliche (z. B. bei Albinismus, Farbenblindheit, grauem Star) sollten vor direktem Sonnenlicht geschützt werden. Andere Kinder und Jugendliche mit einer Sehbehinderung benötigen eine gute Beleuchtung; oft sind zusätzliche Deckenstrahler über der Tafel sinnvoll. Falls der Lichtbedarf des Kindes oder Jugendlichen sehr hoch ist, muss eine zusätzliche Einzelplatzleuchte am Arbeitstisch angebracht werden.
  • Schüler*innen mit einer Sehbehinderung sollten in der Regel vorne sitzen: Bei Einsatz eines Bildschirmlesegeräts mit Tafelkamera oder eines Monokulars ist im Einzelfall auch ein Sitzplatz weiter hinten möglich und kommt dem Wunsch vieler Schüler*innen mit einer Sehbehinderung entgegen, einmal nicht der Lehrkraft „vor der Nase zu sitzen“.
  • Damit sich Schüler*innen mit einer Sehbehinderung beim Lesen und Schreiben nicht so tief hinabbeugen müssen und keine Rückgratschädigungen auftreten, empfiehlt sich aus ergonomischen Gründen eine neigungsverstellbare Arbeitsplatte, die die Lese- und Schreibvorlage näher an die Augen heranführt. Dies kann sowohl ein neigungs- und höhenverstellbarer Einzeltisch sein als auch ein Tischaufsatz, der auf einen normalen Schreibtisch gesetzt wird und mehr Flexibilität ermöglicht. Andere Alternativen zum Lesen bieten Leseständer bzw. Konzepthalter. Eine einfache und unauffällige Lösung bietet ein fester, breiter Aktenordner, der auf den Tisch gelegt auch diese Funktion erfüllen kann.


1.2 Tafelbild

  • Starke Kontraste ergeben sich durch eine saubere Tafel und die Verwendung von weißer oder gelber Kreide. Welcher Kontrast am besten gesehen werden kann, sollte mit dem Schüler oder der Schülerin ausprobiert werden.
  • Es sollte immer die Möglichkeit gegeben werden, zur Tafel zu gehen, wenn der Tafelanschrieb vom Platz nicht mehr erkannt werden kann.
  • Zum Lesen an der Tafel vom Platz aus kann ein Monokular oder ein Binokular benutzt werden. Wichtig ist, dass die Handhabung in das Hilfsmittel eingeübt wird.
  • Ein elektronisches Bildschirmlesegerät mit Tafelkamera kann das Tafelbild auf einen Bildschirm am Platz des Schülers oder der Schülerin übertragen.
  • Lehrer und Lehrerin verbalisieren, was an der Tafel geschrieben wird, so dass eventuell nicht lesbare Informationen akustisch aufgenommen werden können. Nonverbale Hinweise, wie z.B. Kopfnicken können von Schüler*innen mit einer Sehbehinderung oft nicht erkannt werden.
  • Ein*e Mitschüler*in stellt während des Abschreibens eine Durchschrift mit Pauspapier her.
  • Eine weitere Möglichkeit kann sein, dass Schüler*innen mit einer Sehbehinderung vom Nachbarn abschreiben dürfen, was dieser von der Tafel abgeschrieben hat bzw. es sich vom Nachbarn diktieren lassen.
  • Die Unterlagen mit dem Tafelbild im Heft der Mitschüler*innen werden dem Kind mit Sehbehinderung als Kopien gegeben.
  • Ein iPad bietet die Möglichkeit, dass ein Foto vom Tafelbild gemacht wird. Dieses Bild kann dann auf dem iPad vergrößert werden. So Können Schüler*innen den Tafelanschrieb an seinem Platz in Ruhe übertragen.


1.3 Textvorlagen & Bilder

  • Auf Kontraststärke achten; möglichst schwarz auf weiß; grauer Strich auf grauem Umweltpapier ist schlecht sichtbar.
  • Vergrößerungskopien können bei kleiner Schrift helfen; bei Abbildungen evtl. auch. Dabei ist zu beachten, dass der Vergrößerungsfaktor von DIN A4 auf DIN A3 lediglich 1,4 beträgt (141%).
  • Ein Lesepfeil, eine Leseschablone oder ein deutlich umrandetes Lesefenster ist für Leseanfänger meist eine Erleichterung bei der Orientierung im Text. Auch das Abdecken des nicht zu bearbeitenden Seitenabschnitts kann Klarheit bringen.
  • Selbsterstellte Arbeitsblätter auf dem Computer machen eine individuelle Schriftgröße sowie besonderen Zeilenabstand und evtl. Fettdruck möglich.
  • Der Text kann auf ein digitales Endgerät (z. B. auch auf ein IPad) oder auf eine CD aufgesprochen und in Vorbereitung auf den Unterricht von Schüler*innen abgehört werden.
  • Umfangreiche Texte können Schüler*innen mit einer Sehbehinderung tags zuvor ausgegeben werden.
  • Ein Bildschirmlesegerät wird eingesetzt.
  • Grafiken müssen je nach Komplexitätsgrad und Größe und des Sehvermögens der Schülerin oder des Schülers adaptiert werden (Strukturierung, Konturierung, Vereinfachung, Farbe, Kontrast, Beschreibung).
  • Bei der Adaption von Grafiken sollten folgende Fragen gestellt werden:
    • Was soll die Grafik veranschaulichen? Kann dies entsprechend umgesetzt werden?
    • Gibt es evtl. eine andere einfachere Möglichkeit, dies zu verdeutlichen? (z. B. durch ein „Hörbild“, Beschreibungen, ein Modell, ein Artefakt oder eine reale Begegnung, etc.)
    • Ist die Information, die die Grafik beinhaltet auch schon im Text vorhanden – ist sie redundant?
    • Kann die Abbildung bei der Umsetzung vereinfacht werden, ohne die relevanten Informationen zu verlieren?
    • Ist es sinnvoller, die komplexe Information der Grafik in zwei oder drei Grafiken darzustellen?
    • Steht der Zeitaufwand für die Adaption in vertretbarem Verhältnis zur Nutzung?
  • Bilder mit weniger visueller Information bieten mehr Übersicht.


1.4 Schreiben

  • Wem das Schreiben auf normalen Linien schwer fällt, sollte dickere, evtl. rote Linien benutzen.
  • Für Schreibanfänger gibt es Hefte mit farbigen Schreibflächen statt Linien, die die Schrift besser herauskommen lassen.
  • Filzschreiber, Tintenroller oder Fineliner geben mehr Kontrast als Bleistifte. Wenn Bleistifte bei Schreibanfängern bevorzugt werden, sollten sie weich sein, um dicker und dunkler zu schreiben. Der Schreiblernstift mit dicker Mine ist ebenfalls kontrastreich. Eine gute Lösung sind Tintenroller (z. B. FriXion), die sich wegradieren lassen. Diese gibt es auch in schwarz, sodass ein guter Kontrast gewährleistet ist.


1.5 Projektionen / Videos

  • Möglichst in Augenhöhe projizieren, außerdem Beschreibung des Bildes – falls erforderlich.
  • Overhead oder Powerpointfolien sollten dem Schüler oder der Schülerin direkt als Kopie gegeben werden, so kann der Schüler/ die Schülerin die Folie oder die Vorlage am Platz betrachten.
  • Der Schüler oder die Schülerin sollte einen möglichst nahen Platz vor der Projektionsfläche bzw. dem Bildschirm erhalten.
  • Bei Bedarf müssen ergänzende Beschreibungen gemacht werden – dies gilt insbesondere auch bei Videofilmen.


1.6 Landkarten

  • Bei der Arbeit an der Wandkarte ist aus der Entfernung die Schrift nicht zu lesen und es geht bei naher Betrachtung leicht der Überblick verloren. Die Arbeit mit dem Atlas ist oft besser handhabbar, bleibt jedoch auch mit Einsatz von Lupen mühsam. Farbige Vergrößerungskopien können hilfreich sein. Zusätzliche Markierungen mit Marker- oder Filzstift erleichtern das Zurechtfinden. Bewährt hat sich der sukzessive Aufbau mit Hilfe von Overlay-Folien.


1.7 Naturwissenschaftlicher Unterricht

  • Bei Experimenten: Um die Experimentanordnung kennen zu lernen, kann der Schüler oder die Schülerin mit einer Sehbehinderung ganz nah herantreten. Die Versuchsanordnung und die Durchführung des Experiments sollte genau beschrieben werden.
  • Bei der Betrachtung von Modellen Gelegenheit und Zeit geben, sie ganz für sich aus der Nähe zu betrachten.


1.8 Mathematik / Geometrie

  • Wenn ein Bleistift benutzt werden soll, sollte er sehr weich sein, um dicker und dunkler zu schreiben. Ein dünner Filzstift ist evtl. wegen der stärkeren Kontraste besser geeignet.
  • Es gibt Zirkel für Filzstifte.
  • Auf große Zahlen bei Lineal und Geodreieck ist zu achten. Bewährt hat sich das Unterlegen mit Markierungs-Klebeband bzw. die direkte Markierung auf dem Lineal bzw. Geodreieck (Edding bzw. Konturenfarbe).
  • Es kann Millimeterpapier mit verstärkten Linien benutzt werden.
  • Bei geometrischen Zeichnungen erhält der Schüler oder die Schülerin eine Genauigkeitstoleranz (individuell nach Art der Sehbehinderung).
  • Die Lehrkraft sollte sich fragen, ob der Schüler oder die Schülerin bei geometrischen Aufgaben, das Konstruktionsprinzip verstanden hat.

Auf der Webseite des "Deutschen Zentrums für Lehrerbildung Mathematik: Mathe inklusiv mit PIKAS" finden Sie Hinweise auf gute und angepasste Lernumgebungen, die es sehgeschädigten Kindern und Jugendlichen ermöglichen, erfolgreich zu lernen. 

1.9 Klassenarbeiten

  • Kinder und Jugendliche mit einer Sehbehinderung benötigen die gleiche bis zu der doppelten Arbeitszeit. Entsprechend dem Erlass über den „Nachteilsausgleich für Menschen mit Behinderungen bei Prüfungen und Leistungsnachweisen“ ist eine Arbeitszeitverlängerung zu gewähren. Die Zeit hängt ab von der Art und Qualität der Vorlagen und wie Kinder und Jugendliche mit einer Sehbehinderung die Handhabung der Sehhilfen beherrschen.
  • Im Rahmen des Nachteilsausgleichs sind eine Vielzahl von individuell abzustimmenden Modifikationen möglich. Eine beispielhafte Übersicht finden Sie auf der ISaR-Website unter diesem Link


1.10 Allgemeine Hinweise

  • Ein handlungsorientiertes Lernen erleichtert dem Schüler oder der Schülerin das Begreifen der Zusammenhänge.
  • Die Adaption des Unterrichtsstoffes kann evtl. auch durch die Reduktion des Stoffes erreicht werden.
  • Eine Orientierung an aktuellen Erfahrungen und Erlebnissen ist generell sinnvoll und wünschenswert.
  • Zeitzugaben können nicht nur bei Klassenarbeiten, sondern auch im gesamten Unterricht hilfreich sein.
  • Schüler*innen mit einer Sehbehinderung sollten mit ihrem Namen angesprochen werden, da sie nonverbale Aufforderungen (wie z. B. Kopfnicken) nicht immer wahrnehmen können.
  • Vermeiden von Wörtern wie ‚da’ und ‚dort’ in Verbindung mit Zeigegesten, die nicht wahrgenommen werden können.
  • Lehrkräfte sollten sich immer wieder erlauben, die Perspektive des sehgeschädigten Kindes oder Jugendlichen einzunehmen. Dadurch werden mögliche Fragen oder Schwierigkeiten evtl. schon im Vorfeld klar. Dennoch sollte es vermieden werden, im Vorhinein Vermutungen anzustellen und diese für Tatsachen zu halten.
  • Der Körper des Kindes bzw. Jugendlichen kann als Bezugspunkt/ Ausgangspunkt für das Lernen genutzt werden.
  • Es ist zu empfehlen, Situationen zu gestalten, die dem Kind oder Jugendlichen mit einer Sehbehinderung das Lernen erleichtern.


Bei Kindern und Jugendlichen mit Sehbehinderungen sind häufig noch nicht gemachte Erfahrungen zu verzeichnen. So sind Dinge in größerer Entfernung oder besonders kleine Gegenstände vielleicht noch nie wahrgenommen worden (z. B. die Spitze eines Baumes, die Beine einer Fliege, usw.).

  • Die Lehrperson sollte eine große Akzeptanz gegenüber sogenannten „Stereotypien“ entwickeln. Letztlich machen jede Bewegung und Handlung für denjenigen, der sie ausführt einen Sinn. Durch nahes Herangehen z. B. kann versucht werden, ein besseres Bild zu bekommen, ständiges Herumlaufen in der Gruppe kann möglicherweise dem Kind oder Jugendlichen helfen, einen Überblick über die Situation zu gewinnen.
  • Verbalisierung und Vergegenständlichung ist bei fehlender visueller Erarbeitung von Unterrichtsmaterial wichtig. Gegenstände können, wenn möglich, in die Hand gegeben werden.
  • In Fächern oder Unterrichtsbereichen, in denen aufgrund einiger Inhalte eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht nicht immer möglich ist (z. B. Sport, Werken, Technisches Zeichnen, Textilarbeit), sind Alternativen innerhalb dieser Unterrichtsbereiche anzubieten. Die Befreiung von einzelnen Fächern ist nicht im Sinne der inklusiven Beschulung.
  • Ausreichend Zeit sollte vorhanden sein, um Einzelheiten zu betrachten. Wechsel von Unterrichts- und Arbeitsformen sollten aufgrund erschwerter Sehbedingungen flexibel gehandhabt werden.

2. Didaktische Hinweise bei Blindheit

2.1 Sitzplatz

  • Schüler*innen mit Blindheit brauchen einen Platz von dem aus das, was die Lehrkraft sagt, gut zu verstehen ist. Dabei sollte aber eine Isolierung von den Mitschüler*innen vermieden werden. Manchmal ist ein zweiter Tisch als zusätzliche Arbeitsfläche (z. B. für die Punktschriftmaschine, Laptop, etc.) sinnvoll.
  • Es muss genügend Arbeitsfläche vorhanden sein, um Platz für die großen Punktschriftbücher und die Arbeitsgeräte zu haben. Ein zusätzlicher Schrank oder ein Regal sind erforderlich, um die Materialien zu verstauen.
  • Nach Möglichkeit ist darauf zu achten, dass der Klassenraum ein ruhiger, nicht von Verkehrs- und anderem Lärm gestörter Raum ist.
  • Für die Nutzung des Laptops ist eine Versorgung mit Strom am Sitzplatz erforderlich.


2.2 Tafelbild

  • Das Tafelbild, die Overheadfolie oder das Tafelbild auf einem Smartboard muss verbalisiert werden (von Lehrkraft, Mitschülern*innen oder Inklusionsassistenz) bzw. sollte – sofern es nicht im Unterricht entwickelt wird – in taktiler Form (Punktschrift/ Reliefzeichnung) vorliegen.
  • Bei Tafelanschriften ist es hilfreich, wenn die Lehrkraft diese gleich laut mit vorliest.
  • Tafelabschriften erfolgen durch Diktat oder die Inklusionsassistenz. Es kann auch hilfreich sein, wenn die Lehrkraft das Tafelbild dem Schüler/ der Schülerin in digitaler Form für die Braillezeile zur Verfügung stellt.


2.3 Textvorlagen & Bilder

  • Textvorlagen müssen in Punktschrift übertragen werden (digital oder/ und Ausdruck). Sie können zudem in akustischer Form vorliegen, indem sie z. B. auf einen Tonträger oder ein digitales Endgerät aufgesprochen werden.
  • Je nach Unterrichtsfach bzw. Aufgabenstellung und Textlänge reicht eine akustische Umsetzung. Dies muss individuell entschieden werden.
  • Die Bereitstellung der Textvorlagen erfordert eine wesentlich langfristigere Vorausplanung als allgemein üblich. Von daher ist eine Abstimmung und Planung mit der Person, die für die Umsetzung in Brailleschrift zuständig ist, erforderlich.
  • Das Layout und Zeilenumbrüche sollten so gestaltet sein, dass die Schüler*innen sich selbständig darin zurechtfinden können. Ein Leitfaden zur Übertragung von Punktschrifttexten wurde 2000 von der AG Braille im VBS entwickelt. Diesen finden Sie im Internet auf der Seite www.braille.ch Um Texte aus Word zu übertragen, ist die Nutzung des E-Buch-Standards erforderlich.
  • Um ein gemeinsames Arbeiten zu ermöglichen, müssen die Schwarzschriftseitenzahlen und –umbrüche in der Punktschriftausgabe gut zu finden sein.
  • Neben der Möglichkeit, auf Hörbücher zurückzugreifen, sollte auch die Möglichkeit, akustische Arbeitsblätter zur Verfügung zu stellen, berücksichtigt werden.
  • Durch das Layout können auch Hilfen zur Orientierung gegeben werden (z. B. Rechenpäckchen nicht nebeneinander sondern untereinander schreiben).
  • Soweit es möglich ist, sollten Realbegegnungen nicht durch Modelle bzw. Bilder ersetzt werden. Dies beinhaltet auch das Aufsuchen unterschiedlicher Lernorte.
  • Bei der Übertragung von Bildern/ Grafiken in tastbare Qualität ist vorher sehr genau der Informationsgehalt der Abbildung zu analysieren.
  • Vor der Herstellung taktiler Grafiken sollten folgende Fragen gestellt werden:

- Was soll die Grafik veranschaulichen? Kann dies entsprechend taktil umgesetzt werden?

- Gibt es evtl. eine andere einfachere Möglichkeit, dies zu verdeutlichen? (z.B. durch ein „Hörbild“, Beschreibungen, ein Modell, ein Artefakt oder ein reale Begegnung, etc.

- Ist die Information, die die Grafik beinhaltet auch schon im Text vorhanden – ist sie redundant?

- Kann die Abbildung bei der taktilen Umsetzung vereinfacht werden ohne die relevanten Informationen zu verlieren?

- Ist es sinnvoller die komplexe Information der Grafik in zwei oder drei taktilen Grafiken darzustellen?

- Steht der Zeitaufwand für die Herstellung in vertretbarem Verhältnis zur Nutzung?


2.4 Schreiben

  • Das Kind oder der Jugendliche mit Blindheit benutzt seine Punktschriftmaschine bzw. seine elektronischen Hilfsmittel, z. B. einen Computer mit Schwarzschrift-/ Punktschrift-Tastatur.
  • Daher ist es wichtig, dass der Schüler/ die Schülerin möglichst früh im PC-Umgang ohne Maus geschult wird. Dazu gehört auch das Lernen des Zehnfinger-Schreibens.


2.5 Projektionen / Videos

  • Bilder müssen mündlich beschrieben werden oder entsprechend taktil umgesetzt werden.
  • Videos / Filme müssen ebenfalls beschrieben werden.


2.6 Landkarten

  • Es gibt taktile Karten. Die Beschaffung kann evtl. über ein Medienzentrum erfolgen. Zu beachten ist dabei immer, dass das Betrachten einer tastbaren Karte mehr Zeit und spezielle Strategien erfordert.


2.7 Naturwissenschaftlicher Unterricht

  • Um die Experimentanordnung kennen zu lernen, ist es notwendig, dass der Schüler/ die Schülerin den Aufbau abtasten kann. Es ist wichtig, den Aufbau und das Experiment genau zu beschreiben.
  • Neben der Verbalisierung ermöglichen Messinstrumente mit Tonhöhenanzeige bzw. Sprachausgabe das Verfolgen und Durchführen von Experimenten.
  • Ein Farberkennungsgerät kann besonders im Chemieunterricht sinnvoll eingesetzt werden.


2.8 Geometrie

  • Auf einer speziellen Zeichentafel kann eine Positiv-Zeichnung auf sog. Zeichenfolie mit Stift oder Zirkel erstellt werden, wobei in die Zeichenfläche gedrückte Stecknadeln Fixierhilfe für spezielle Lineale, Winkelmesser und Zeichendreiecke leisten. Zeichenfolie mit aufgeprägtem Koordinatengitter ermöglicht das Zeichnen von Funktionsgraphen.
  • Beim geometrischen Zeichnen sind im Sinne des behinderungsbedingten Nachteilsausgleichs zeichnerische Ungenauigkeiten zu tolerieren.


2.9 Klassenarbeiten

  • Entsprechend dem Erlass über den „Nachteilsausgleich für Menschen mit Behinderungen bei Prüfungen und Leistungsnachweisen“ ist eine Arbeitszeitverlängerung zu gewähren. Der zeitliche Rahmen muss zu Beginn der Klassenarbeit bekannt sein, die Prüfungsvorlagen müssen blindengerecht aufbereitet sein.
  • Im Rahmen des Nachteilsausgleichs sind eine Vielzahl von individuell abzustimmenden Modifikationen möglich. Eine beispielhafte Übersicht finden Sie auf der ISaR-Website unter dem Link „Informationen“/„Recht“.


2.10 Allgemeine Hinweise

  • Grundsätzlich sollte der Einbezug des akustischen und taktilen Sinnes zum festen Bestandteil des Unterrichts werden.
  • Ein handlungsorientiertes Lernen erleichtert nicht nur dem Schüler/ der Schülerin mit Blindheit das Begreifen der Zusammenhänge.
  • Die Adaption des Unterrichtsstoffes kann evtl. auch durch die Reduktion des Stoffes erreicht werden.
  • Eine Orientierung an aktuellen Erfahrungen und Erlebnissen ist generell sinnvoll und wünschenswert.
  • Zeitzugaben können nicht nur bei Klassenarbeiten, sondern auch im gesamten Unterricht hilfreich sein.
  • Schüler*innen mit Blindheit sollten mit ihrem Namen angesprochen werden, da sie nonverbale Aufforderungen (wie z. B. Kopfnicken) nicht wahrnehmen können.
  • Vermeiden von Wörtern wie ‚da’ und ‚dort’ in Verbindung mit Zeigegesten, die nicht wahrgenommen werden können.
  • Lehrkräfte sollten sich immer wieder erlauben, die Perspektive des Kindes mit Blindheit einzunehmen. Dadurch werden mögliche Fragen oder Schwierigkeiten evtl. schon im Vorfeld klar. Dennoch sollte es vermieden werden, im Vorhinein Vermutungen anzustellen und diese für Tatsachen zu halten.
  • Der Körper des Schülers/ der Schülerin kann als Bezugspunkt/ Ausgangspunkt für das Lernen genutzt werden (z. B. Größenvergleiche u. ä.).
  • Es ist zu empfehlen, Situationen zu gestalten, die dem Schüler/ der Schülerin mit Blindheit das Lernen erleichtern (Strukturierung, Übersichtlichkeit, Anschaulichkeit, Zeit).
  • Aufgrund fehlender Beobachtungsmöglichkeiten bleiben vielen Kindern und Jugendlichen mit Blindheit grundlegende Erfahrungen in Alltagssituationen verschlossen, die für sehende Kinder schon in der Vorschulzeit selbstverständlich sind. Bei der Begriffsbildung besteht die Gefahr, dass wichtige Begriffe (mehr – weniger, groß – klein, rechts – links, etc.) nicht mit Inhalt gefüllt sind, bzw. wegen eingeschränkter Erfahrungs- und Beobachtungsmöglichkeiten (z.B. Wolken, Haus, usw.) noch unklar sind.
  • Die Lehrperson sollte eine große Akzeptanz gegenüber sogenannten „Stereotypien“ entwickeln. Letztlich machen jede Bewegung und Handlung für denjenigen, der sie ausführt einen Sinn. Neigt ein Kind mit Blindheit z. B. seinen Kopf oder legt sich mit dem gesamten Oberkörper in Situationen des Wartens oder Zuhörens auf den Tisch, ist dies evtl. damit zu erklären, dass ihm der visuelle Anreiz fehlt. Diese Position kann durchaus aufmerksames Zuhören bedeuten.
  • Das Kind oder der Jugendliche mit Blindheit sollte die Möglichkeit erhalten, den Klassenraum und alle anderen Orte, an denen sich die Schüler aufhalten (Nebenraum, Pausenhalle,...) zu erkunden.
  • Am Anfang des Gemeinsamen Unterrichts ist es wichtig, dass die Mitschüler*innen mit Namen benannt werden bzw. diesen selber nennen. Dies erleichtert dem Schüler/ der Schülerin mit Blindheit das Erkennen der Personen.
  • Eine Erkundung der mit Bildern und anderen Kunstwerken geschmückten Wände des Klassenraums sollte regelmäßig ermöglicht werden.
  • In Fächern oder Unterrichtsbereichen, in denen aufgrund einiger Inhalte eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht nicht immer möglich ist (z. B. Sport, Werken, Technisches Zeichnen, Textilarbeit), sind Alternativen innerhalb dieser Unterrichtsbereiche anzubieten. Die Befreiung von einzelnen Fächern ist nicht im Sinne der inklusiven Beschulung.